Suchtprävention stärken - Familien unterstützen!

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Das Suchthilfesystem in Thüringen braucht ein Konzept, das die neusten Entwicklungen von problematischem Suchtmittelkonsum bedarfsund zielgruppenspezifisch berücksichtigt, konkrete Maßnahmen ableitet. Einen Anfang hat Thüringen schon mit dem Entschließungsantrag im Bundesrat gemacht, wo ein Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) und der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung einzuleiten ist. Ziel dieses Antrages war es, Cannabis- Extrakt und Cannabis-Blüten als verkehrsfähige und verschreibungs fähige Betäubungsmittel für die Regelversorgung von Schmerz- und Palliativpatienten zur Verfügung zu stellen. Nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung können zwar seit 2011 Cannabis-Zubereitungen als Fertigarzneimittel verordnet werden, aber faktisch hat das an der Versorgungslage für die Patientinnen und Patienten nur wenig geändert. Bundesweit wurde 2014 lediglich 109 Patientinnen und Patienten die medizinische Verwendung von Cannabis erlaubt. Zum Vergleich: In den Vereinigten Staaten von Amerika ist die medizinische Anwendung von Cannabis mittlerweile in der Hälfte aller Bundesstaaten erlaubt. Es konnte bisher nur ein einziges Fertigarzneimittel zugelassen werden und dieses steht ausschließlich zur symptomatischen Therapie der Spastik bei Multipler Sklerose zur Verfügung. Damit ist aber den Patientinnen und Patienten nicht geholfen, bei denen die üblichen Behandlungsalternativen ausgeschöpft sind und für die nach Abwägung von Nutzen und Risiko durch die behandelnde Ärztin bzw. den Arzt eine Therapie mit Cannabis indiziert ist, und das sind Menschen mit chronischen, starken Schmerzen z.B. im Zusammenhang mit einer Krebs- oder AIDS-Erkrankung aber auch verschiedene Krankheitsbilder, die mit schweren Spastiken, also Krämpfen, einhergehen.

Der Antrag fasst die Problemlagen unter Punkt I kurz zusammen. Unter Punkt II des Antrages wird ein Berichtsauftrag (II.1) an die Landesregierung formuliert. Dabei werden die Schwerpunkte benannt, die in der Suchthilfeplanung verbindlich berücksichtigt werden sollen.

Bei Punkt II.2 werden konkrete Vorhaben an die Landesregierung erläutert. Dazu gehören: Neben einer Überprüfung der bisherigen Suchtpräventionspolitik sollen die tatsächlichen Bedarfe herausgefunden werden und dann im Anschluss in einen Handlungsleitfaden für Kommunen erstellt werden.

Weiterhin soll der Ausbau und die bessere Vernetzung der Angebote im ambulanten, stationären Bereich und von mobilen Beratungsangeboten, sowie niedrigschwelligen und zugehenden Unterstützungsangeboten forciert werden.

Um die Problematik des Crystal-Meth-Konsums festzustellen, braucht es die Anpassung und Weiterentwicklung der vorhandenen statistischen Erhebung, um zielgruppenspezifisch differenzierte Aussagen für die Praxis zu ermöglichen. Eine Zunahme des Gebrauchs stimulierender, anregender bis aufputschender Substanzen lässt sich für ganz Deutschland nachweisen. Amphetamin, Methamphetamin, Kokain und ephedrinhaltige Substanzen nehmen innerhalb des illegalisierten Drogengebrauchs eine bedeutende Rolle ein. Insbesondere die Verbreitung von Methamphetamin (Crystal) hat deutlich zugenommen. Konsumenten solcher Substanzen weichen in ihrem Verhalten - auch in ihren Reaktionen auf Angebote der Drogen- und Suchthilfe - von der klassischen Klientel der Beratungsstellen ab. Leistungssteigernde Mittel passen sich in ihrem Wirkspektrum zudem gesellschaftlicher Normen und Erwartungen an. Dies bedeutet, dass sowohl im Bereich Prävention als auch in der Beratung, Begleitung und Hilfe für entsprechende Konsumenten neue Wege und Methoden entwickelt werden müssen, um adäquat auf diese Herausforderung reagieren zu können. Dazu gehören auch Harm-Reduction- Programme, die Unterstützung für risikomindernden Gebrauch geben können.

Ein weiteres Gebiet, auf dem ein kompetentes Reagieren der Politik notwendig ist, betrifft sog. "legal highs". Dazu der Alternative Suchtbericht 2015: "Seit einigen Jahren hat sich das Angebot an Produkten, die (noch) nicht illegalisierte synthetische Drogen enthalten, in Deutschland wie auch europaweit stark ausgeweitet. Derartige, zum Beispiel als Räuchermischungen, Badesalze oder Forschungschemikalien (Research Chemicals bzw. RCs) irreführend deklarierte Stoffe werden häufig unter den Oberbegriffen 'Legal Highs' bzw. zunehmend auch 'neue psychoaktive Substanzen' (NPS) diskutiert. Nahezu alle Veröffentlichungen zum Thema verweisen auf die große und seit 2008 sprunghaft angestiegene Anzahl derartiger Substanzen, die - zumeist über OnlineShops - gehandelt werden (EMCDDA 2013). Durch diese Entwicklung ergibt sich für Drogenpolitik, Strafverfolgungsbehörden, Drogenhilfe und Forschung eine neuartige Problemlage."

Quelle: http://alternativer-drogenbericht.de/zur-verbreitung-von-neuenpsychoaktiven- substanzen-nps/. Mit auf Repression zentrierten Maßnahmen werden die Probleme nicht gelöst, sondern allein verlagert und verkompliziert. Auch hier bedarf es erweiterter Sachkompetenz in Drogenhilfe und präventive, schlüssige Konzepte.

Unterstützungsangebote für Familiensysteme mit einer Abhängigkeitsproblematik und der gezielte Ausbau von Informationen für Angehörige sollen besonders in den Fokus genommen werden, genauso wie zielgruppenspezifische Konzepte für die Altenhilfe und Justizvollzugsanstalten.Die Cannabis-Politik braucht ein neues gesetzliches Fundament und eine neue Idee. Eine regulierte, legale Abgabe von Cannabis könnte in einem Modellprojekt mit einer Thüringer Kommune ausprobiert werden. Das Ziel der Schwächung des Schwarzmarktes als ordnungspolitisches Ziel, die Kostenersparnis in der Strafverfolgung könnte so für die Präventionsangebote nutzbar gemacht werden.

Es braucht eine Cannabis-Politik, die bewusst und konsequent eine gesundheitspolitische Ausrichtung zum Maßstab nimmt. Diese Politik soll die schützten, die Schutz brauchen, nämlich Kinder und Jugendliche, und erwachsene Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr kriminalisieren. Gleichzeitig soll ein reguliertes und überwachtes System für Anbau, Handel und Abgabe geschaffen werden, bei dem - im Gegensatz zu heute - Verbraucher- und Jugendschutz sowie Suchtprävention greifen. So werden Menschen erst für Beratung und Hilfe erreichbar. Nichtkriminalisierte Konsumenten sind den Erfahrungen gemäß auch für Beratung und gegebenenfalls Hilfe offener zugänglich als Menschen, denen ihre eigene Strafverfolgung bewusst ist.

Ein Modellprojekt zum sogenannten "Drug-Checking" soll in Kooperation mit Thüringer Kommunen bis zum Jahr 2017 auf den Weg gebracht werden. Unter dieser Drogenprüfung versteht man die chemische Analyse von zumeist auf dem Schwarzmarkt gehandelten psychotropen Substanzen, um potentielle Konsumentinnen und Konsumenten vor besonders gesundheitsschädlichen Präparaten warnen zu können und somit die Gefahren, die beim Konsum von Substanzen mit einer nicht bekannten Zusammensetzung entstehen können, zu vermindern und Drogenmündigkeit zu fördern.

In verschiedenen europäischen Ländern gibt es bereits Möglichkeiten zum Drug-Checking wie zum Beispiel in Österreich, den Niederlanden und der Schweiz. In Spanien, Frankreich, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden wird Drug-Checking von staatlichen oder halbstaatlichen Stellen betrieben. Drug-Checking kann konkrete gesundheitliche Gefahren abwenden und ist ein entscheidender Schritt, um Drogenpolitik Glaubwürdigkeit - auch unter Drogengebraucher - zu verleihen. Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger ist ein Behandlungsangebot, welches über zusätzlich qualifizierte Suchtmediziner vorgehalten und über psychiatrische, therapeutische oder psychosoziale Begleitung verschiedene Behandlungsziele verfolgt. Neben der gesundheitlichen Stabilisierung von Schwerstabhängigen und Ermöglichung einer medizinischen Behandlung einer weiteren Erkrankung, Überbrückung und Motivation für eine Entwöhnungstherapie, als Erhaltungstherapie zur sozialen und beruflichen Integration. Für die Behandlung sind verschiedene Medikamente zugelassen, u.a. seit 2014 Diamorphin. Ein landesweites Konzept soll die bedarfsgerechte Versorgung erheben und langfristig sichern.